TESTO DEL LIED

"Des Sängers Fluch"
di Johann Ludwig Uhland (1787-1862)

Es stand in alten Zeiten ein Schloss,
So hoch und her,
weit glänzt' es über die Lande
bis an das blaue Meer,
Und rings von duft'gen Gärten
Ein blütenreicher Kranz,
Drin sprangen frische Brunnen
In Regenbogenglanz.

Dort saß ein stolzer König,
An Land und Siegen reich,
Er saß auf seinem Throne
So finster und so bleich;
Denn was er sinnt, ist Schrecken,
Und was er blickt, ist Wut,
Und was er spricht, ist Geißel,
Und was er schreibt, ist Blut.

Einst zog nach diesem Schlosse
Ein edles Sängerpaar,
Der ein'in goldnen Locken,
Der andre grau von Haar;
Der Alte mit der Harfe,
Der saß auf schmuckem Ross,
Es schritt ihm frisch zur Seite
Der blühende Genoss.

Der Alte sprach zum Jungen:
"Nun sei bereit, mein Sohn!
Denk unsrer tiefsten Lieder,
Stimm an den vollsten Ton!
Nimm alle Kraft zusammen,
Die Lust und auch den Schmerz!
Es gilt uns heut, zu rühren
Des Königs steinern Herz."

Schon stehn die beiden Sänger
Im hohen Säulensaal,
Und auf dem Trone
Sitzen der König
Und sein Gemahl;
Der König furchtbar prächtig,
wie blut'ger Nordlichtshein,
die Königin suß und milde,
Als blickte Vollmond drein.

Da schlug der Greis die Saiten,
Er schlug sie Wundervoll,
Dass reicher, immer reicher
Der Klang zum Ohre schwoll,
Dann strömte himmlisch helle
Des Jünglings Stimme vor,
Des Alten Sang dazwischen,
Wie dumpfer Geisterchor.

Sie singen von Lenz und Liebe,
Von sel'ger goldner Zeit,
Von Freiheit, Männerwürde,
Von treu' und Heiligkeit;
Sie singen von allem Süßen,
Was Menschenbrust durchhebt,
Sie singen von allem Hohen,
Was Menschenherzen erhebt.

Die Höflingsschar im Kreise
Verlernet jeden Spott,
Des Königs trotz'ge Krieger,
Sie beugen sich vor Gott,
die Königin, zerflossen in Wehmut
und in Lust,
Sie wirft den Sängern nieder
Die Rose von ihrer Brust.

"Ihr habt mein Volk verführet,
Verlockt ihr nun mein Weib?
Der König schreit es wütend,
Er bebt am ganzen Leib,
Er wirft sein Schwert,
Das blitzend des Jünglings Brust durchdringt,
Draus, statt der goldnen Lieder,
Ein Blutstrahl hochauf springt.

Und wie vom Sturm zerstoben
Ist all der Hörer Schwarm,
Der Jüngling hat verröchelt
In seines Meisters Arm,
Der schlägt um ihn den Mantel
Und setzt ihn auf das Ross,
Er bind't ihn aufrecht feste,
Verlässt mit ihm das Schloss.

Doch vor dem hohen Tore,
Da hält der Sängergreis,
Da fasst er seine Harfe,
Sie aller Harfen preis,
An einer Marmorsäule,
Da hat er sie zerschellt,
Dann ruft er, dass es schaurig
Durch Schloss und Gärten gellt:

"Weh euch, ihr stolzen Hallen!
Nie töne süßer Klang
Durch eure Räume wieder,
Nie Saite noch Gesang.
Nein! Seufzer nur und Stöhnen
Und scheuer Sklavenschritt,
Bis euch zu Schutt und Moder
Der Rachegeist zertritt!

Weh euch, ihr duft'gen Gärten
Im holden Maienlicht!
Euch zeig' ich dieses Toten
Entstelltes Angesicht,
Dass ihr darob verdorret,
Dass jeder Quell versiegt,
Dass ihr in künft'gen Tagen versteint,
Verödet liegt.

Weh dir, verruchter Mörder!
Du Fluch des Sängertums!
Umsonst sei all dein Ringen
Nach Kränzen blut'gen Ruhms,
Dein Name sei vergessen,
In ew'ge Nacht getaucht,
Sei, wie ein letztes Röcheln,
In leere Luft verhaucht!"

Der Alte hat's gerufen,
Der Himmel hat's gehört,
Die Mauern liegen nieder,
Die Hallen sind zerstört,
Noch eine hohe Säule
Zeugt von verschwundner Pracht,
Auch diese, schon geborsten,
Kann stürzen über Nacht.

Und rings, statt duft'ger Gärten,
Ein ödes Heideland,
Kein Baum verstreuet Schatten,
Kein Quell durchdringt den Sand,
Des Königs Namen meldet
Kein Lied, kein Heldenbuch;
Versunken und vergessen!
Das ist des Sängers Fluch.