TESTO DEL LIED

"Hast Du vergessen...?"
di Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Hast Du vergessen, daß Du mein Page bist für diesen Tag? Verlässest Du mich? Wo gehst Du hin? Dein weißes Kleid gibt mir Dein Recht -."
"Sehnt es Dich nach Deinem rauhen Rock?"
"Frierst Du? - Hast Du Heimweh?" Die Gräfin lächelt. Nein. Aber das ist nur, weil das Kindsein ihm von den Schultern gefallen ist, dieses sanfte dunkle Kleid. Wer hat es fortgenommen? "Du?" fragt er mit einer Stimme, die er noch nicht gehört hat. "Du!" Und nun ist nichts an ihm. Und er ist nackt wie ein Heiliger. Hell und schlank.
Langsam lischt das Schloß aus. Alle sind schwer: müde oder verliebt oder trunken. Nach so vielen leeren, langen Feldnächten: Betten. Breite eichene Betten. Da betet sichs anders als in der lumpigen Furche unterwegs, die, wenn man einschlafen will, wie ein Grab wird. "Herrgott, wie Du willst! " Kürzer sind die Gebete im Bett. Aber inniger.