TESTO DEL LIED

"Turmwächter Lynceus zu den Füßen der Helena"
di Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Laß mich knieen, laß mich schauen,
laß mich sterben, laß mich leben,
denn schon bin ich hingegeben
dieser gottgegebnen Frauen!
Harrend auf des Morgens Wonne,
östlich spähend ihren Lauf,
ging auf einmal mir die Sonne
wunderbar im Süden auf.
Zog den Blick nach jener Seite,
statt der Schluchten, statt der Höhen,
statt der Erd' und Himmelsweite,
sie, die Einzige, zu spähen.
Augenstrahl ist mir verliehen
wie dem Luchs auf höchstem Baum;
doch nun muß ich mich bemühen
wie im allertiefsten Traum.
Wüßt' ich irgend mich zu finden?
Zinne? Turm? geschlossnes Tor?
Nebel schwanken, Nebel schwinden,
solche Göttin tritt hervor.
Aug' und Brust ihr zugewendet,
sog ich an den milden Glanz.
Diese Schönheit, wie sie blendet,
blendete mich Armen ganz.
Ich vergaß des Wächters Pflichten,
völlig, völig das beschworne Horn:
Drohe nur mich zu vernichten,
Schönheit bändigt allen Zorn.