TESTO DEL LIED

"Ich kenn' ein Blümlein Wunderschön"
di Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Graf:
Ich kenn' ein Blümlein Wunderschön
Und trage darnach Verlangen,
Ich möcht' es gerne zu suchen gehn,
Allein ich bin gefangen;
Die Schmerzen sind mir nicht gering,
Denn als ich in der Freiheit gieng,
Da hatt' ich es in der Nähe.
Von diesem ringsum steilen Schloß
Laß ich die Augen schweifen,
Und kanns vom hohen Turmgeschoß
Mit Blicken nicht ergreifen,
Und wer mirs vor die Augen brächt,
Er wäre Ritter oder Knecht.
Der sollte mein Trauter bleiben.
Rose:
Ich blühe schön und höre dies,
Hier unter deinem Gitter,
Du meinest mich, die Rose, gewiß
Du edler armer Ritter.
Du hast gar einen hohen Sinn,
Es herrscht die Blumenkönigin gewiß
Auch in deinem Herzen.
Graf:
Dein Purpur ist aller Ehren wert,
Im grünen Überkleide,
Darob das Mädchen dein begehrt,
Wie Gold und Edelgeschmeide.
Dein Kranz erhöht das schönste Gesicht,
Allein du bist das Blümchen nicht
Das ich im Stillen verehre.
Lilie:
Das Röschen hat gar stolzen Brauch
Und strebet immer nach oben,
Doch wird ein liebes Liebchen auch
Der Lilie Zierde loben.
Wenns Herze schlägt in treuer Brust,
Und ist sich rein, wie ich, bewußt,
Der hält mich wohl am höchsten.
Graf:
Ich nenne mich zwar keusch und rein
Und rein von bösen Fehlen,
Doch muß mich einsam quälen.
Du bist mir zwar ein schönes Bild
Von mancher Jungfrau rein und mild,
Doch weiß ich noch was liebers.
Nelke:
Das mag wohl ich die Nelke sein,
Hier in des Wächters Garten,
Wie würde sonst der Alte mein
Mit so viel Sorge warten?
Im schönen Kreis der Blätter Drang,
Und Wohlgeruch das Leben lang,
Und alle tausend Farben.
Graf:
Die Nelke soll man nicht verschmähn,
Sie ist des Gärtners Wonne,
Bald muß sie in dem Lichte stehn,
Bald schüzt er sie vor der Sonne,
Doch was den Grafen glücklich macht
Es ist nicht ausgesuchte Pracht,
Es ist ein stilles Blümchen.
Veilchen:
Ich steh verborgen und gebückt,
Und mag nicht gerne sprechen,
Doch will ich, weil sichs eben schickt,
Mein tiefes Schweigen brechen,
Wenn ich es bin, du guter Mann,
Wie schmerzt michs daß ich hinauf nicht kann,
Dir alle Gerüche senden.
Graf:
Das gute Veilchen schätz' ich sehr,
Es ist sogar bescheiden,
Und duftet so schön, doch brauch ich mehr
In meinen herben Leiden,
Ich will es euch nur eingestehn
Auf diesen dürren Felsenhöh'n
Ist's Liebchen nicht zu finden.
Doch wandelt unten an dem Bach
Das treuste Weib der Erde,
Und seufzet leise manches Ach,
Bis ich erlöset werde.
Wenn sie ein blaues Blümchen bricht
Und immer sagt: Vergiß mein nicht!
So fühl' ichs in der Ferne.
Ja in der Ferne fühlt sich die Macht
Wenn zwei sich redlich lieben,
Drum bin ich in des Kerkers Nacht
Auch noch lebendig geblieben,
Und wenn mir fast das Herze bricht,
So ruf ich nur: Vergiß mein nicht!
Da komm ich wieder ins Leben.